Otto Schmidt Verlag

Thüringer LAG v. 8.3.2022 - 5 Sa 62/22

Kündigung in der Probezeit: Zustimmungsverweigerung des Personalrates unbeachtlich bei Gründen außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes

Eine Zustimmungsverweigerung des Personalrates für eine Kündigung in der Probezeit ist unbeachtlich, wenn die Zustimmung mit einer Begründung verweigert wird, die inhaltlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes liegt. Die Mitbestimmtheit beschränkt sich dabei auf solche Gründe, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Dabei geht es um die Frage, ob die der Klägerin ggü. erklärte Kündigung in der Probezeit wirksam ist. Die Klägerin vertrat erstinstanzlich die Auffassung, der Personalrat habe die Zustimmung gemäß § 78 ThürPersVG verweigern dürfen. Außerdem hätte die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz erörtert werden müssen.

Das ArbG hielt die Kündigung für wirksam und wies die Klage ab. Das LAG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Kündigung ist wirksam, da die Zustimmungsverweigerung des Personalrates unbeachtlich ist. Nach der in § 69a Abs.2 S. 9 ThürPersVG geregelten Zustimmungsfiktion gilt eine beantragte Maßnahme auch dann als gebilligt, wenn die Personalvertretung die Zustimmung nicht innerhalb der Fristen des § 69 Abs. 2 S. 6 oder S. 8 unter Angabe von Gründen ausdrücklich und schriftlich verweigert.

Eine ausdrückliche Zustimmungsverweigerung ohne Angabe von Gründen ist unbeachtlich. Die Rechtsprechung stellt an die begründete Zustimmungsverweigerung keine hohen inhaltlichen Anforderungen. Die Begründung des Personalrats muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Gründe, die ganz offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes liegen, sind unbeachtlich.

So liegt der Fall hier. Die Verweigerung der Zustimmung erfolgte fristgemäß schriftlich und wurde vom Personalrat begründet. Allerdings ist die Zustimmungsverweigerung trotzdem unbeachtlich, da lediglich Gründe außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes benannt wurden.

Ob die vom Personalrat angeführten Gründe für die Nichtzustimmung „nicht rechtserheblich” sind und die Kündigung als gem. § 69a Abs. 2 Satz 9 ThürPersVG durch den Personalrat „gebilligt ... gilt” oder ob, wie die Klägerin meint, das Stufenverfahren nach § 69a ThürPersVG hätte eingeleitet werden müssen, hängt davon ab, wie sich die Mitbestimmtheit der Probezeitkündigung auswirkt.

Der Auffassung des BAG folgend bedeutet Mitbestimmung bei allen ordentlichen Kündigungen nicht zugleich, dass den Arbeitnehmern, die noch keinen Kündigungsschutz i.S.d. Kündigungsschutzgesetzes haben, dieser ihnen indirekt über die Mitbestimmtheit der ordentlichen Kündigung zuwächst. Vielmehr bleibt es dabei, dass sich die Mitbestimmtheit nur auf solche Gründe beschränkt, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen. So führt das BAG im Urteil vom 27.10.2005 - 6 AZR 27/05 - zutreffend aus: „Auf die Mitbestimmtheit der Probezeitkündigung übertragen bedeutet dies, dass nur solche Einwendungen beachtlich sind, die die Unwirksamkeit der Probezeitkündigung immerhin als möglich erscheinen lassen („Möglichkeitstheorie”).

Der Personalrat führt aus, dass nach § 78 Abs.1 Nr. 3 und 4 ThürPersVG der Kündigung nicht zugestimmt wird. Diese Einwendungen sind auch in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2b und in Abs. 2 S. 3 des KSchG angeführt. Sie gehören somit in den Bereich des Kündigungsschutzgesetzes. Im Rahmen der Probezeit können sie keine Rolle spielen. Auch die angesprochene Möglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz betrifft das Argument der Ultima Ratio im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes und ist deshalb, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausführte, unbeachtlich.

Soweit der Personalrat den Werdegang der Klägerin beschreibt und darlegt, dass ihn zutiefst erstaunt, dass die Arbeitsweise und die Arbeitsergebnisse der Klägerin in der Hochschulbibliothek der Fachhochschule Erfurt bei diesen Arbeitszeugnissen und den vorhandenen Vorerfahrungen nicht den Erwartungen entsprechen, hegt er Zweifel an der Eignungsprognose des Dienstherrn. Die Entscheidung darüber, ob sich ein Angestellter in der Probezeit bewährt hat, ist jedoch ausschließlich dem Dienstherrn vorbehalten. Zweifel an der Eignungsprognose sind daher ebenfalls unbeachtlich (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.1.2018 - 1 Sa 447/17).

Gründe, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Probezeitkündigung unwirksam ist, wurden vom Personalrat nicht angeführt. Weder Sonderkündigungsschutz noch Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit, Willkür, Sittenwidrigkeit oder Maßreglungen wurden vorgetragen. Diese ergeben sich auch nicht aus der Einschätzung der Klägerin durch den Personalrat als unbequeme Mitarbeiterin.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.05.2022 14:45
Quelle: Justiz Thüringen online

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