Otto Schmidt Verlag

BAG v. 17.11.2021 - 7 ABR 27/20

Betriebsratsschulung mit werthaltigen Seminarbeigaben: Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Das BAG hat zugunsten des Betriebsrats entschieden, dass der Arbeitgeber auch dann die Kosten eines Weiterbildungsseminars bezahlen muss, wenn die Betriebsratsmitglieder auf dem Seminar werthaltige Beigaben (u.a. ein „Tablet für die Betriebsratsarbeit“) vom Veranstalter erhalten, solange nicht ersichtlich ist, dass vergleichbare Seminare deutlich günstiger zu buchen sind.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den Betriebsrat von Schulungskosten für ein Grundlagenseminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I“ freizustellen. Für die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an der Schulung fiel eine Seminargebühr i.H.v. etwa 700 € an.

Streitpunkt ist u.a. die Überlassung von Seminarbeigaben durch den Veranstalter in Form eines sog. „Starter-Sets“, bestehend u.a. aus einem „Tablet für die Betriebsratsarbeit“, einem Handkommentar zum BetrVG mit Wahlordnung und einer DTV-Ausgabe der Arbeitsgesetze. Auch konnte jeder Teilnehmer eine „kostenfreie anwaltliche Erstberatung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt“ in Anspruch nehmen.

Die Arbeitgeberin weigert sich, die Kosten des Seminars zu übernehmen, da der Betriebsrat die Teilnahme an dem Seminar nicht für erforderlich hätte halten dürfen. Es seien angesichts der Seminarbeigaben unverhältnismäßig hohe und nicht erforderliche Kosten angefallen. Die Beigaben des „Starter-Sets“ hätten einen Wert von ca. 400 € und die anwaltliche Erstberatung sei mit ca. 200 € zu veranschlagen. Damit entfielen etwa 80 % der Seminarkosten auf nicht erforderliche Zusatzleistungen. Da das Seminar ohne diese Zusatzleistungen nicht buchbar gewesen sei, habe der Betriebsrat von der Teilnahme seines Mitglieds absehen müssen. Sie - die Arbeitgeberin - müsse keine Werbemaßnahmen eines Seminaranbieters finanzieren; ihre Erstattungspflicht beschränke sich auf die konkrete Schulungsveranstaltung und die hierdurch verursachten Kosten. Letztere hätten zudem genauer aufgeschlüsselt werden müssen, damit zwischen notwendigen Fortbildungskosten und sonstigen Kosten unterschieden werden könne.

Das ArbG gab dem Antrag, den Betriebsrat von den Seminargebühren freizustellen, statt. Das LAG wies die dagegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurück. Das BAG hat die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Arbeitgeberin ist nach § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG verpflichtet, den Betriebsrat von der Verpflichtung zur Zahlung der Seminargebühr iHv. 700 € zzgl. Mehrwertsteuer freizustellen. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist.

Der Einwand der Arbeitgeberin, der Wert der den Seminarteilnehmern überlassenen kostenlosen „Werbebeigaben“ sei zu dem der inhaltlichen Kenntnisvermittlung ins Verhältnis zu setzen - wobei im Streitfall letztere in den Hintergrund trete - verfängt nicht. Die Arbeitgeberin vermengt in unzulässiger Weise Fragen einer etwaigen durch die Seminarbeigaben entstehenden Kostenbelastung mit denen der auf die Kenntnisvermittlung bezogenen Erforderlichkeit. Den Schutz des Arbeitgebers vor einer unangemessenen Kostenbelastung bewirkt aber der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit, den der Betriebsrat bei seiner Beschlussfassung über die Entsendung eines (oder mehrerer) seiner Mitglieder zu beachten hat, und der von ihm die Prüfung verlangt, ob die verlangten Schulungskosten angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse dem Arbeitgeber zumutbar sind.

Auch die Annahme des LAG, der Betriebsrat habe dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Die Arbeitgeberin hat insbesondere nicht geltend gemacht, ein vergleichbares Seminar für die Erstschulung des Betriebsratsmitglieds sei kostengünstiger in Betracht gekommen.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin musste der Betriebsrat auch nicht deshalb von der Entsendung des Betriebsratsmitglieds zum Seminar absehen, weil der Schulungsveranstalter den Teilnehmern das „Starter-Set“ überließ und die Möglichkeit einer anwaltlichen Erstberatung einräumte.

Dabei kann dahinstehen, ob diese Seminarbeigaben - sollten mit ihnen gesonderte Kosten ausgelöst sein - der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin nach § 37 Abs. 6 i.V.m. § 40 Abs. 1 BetrVG unterfielen. Denn selbst wenn einzelne oder sämtliche Seminarbeigaben für die Durchführung der Schulungsveranstaltung nicht erforderlich sein sollten, hält sich der Beschluss des Betriebsrats, das Betriebsratsmitglied zu der Schulung zu entsenden, im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Da die Seminargebühr nach den Feststellungen des LAG marktüblich war und vergleichbare Seminare nicht deutlich günstiger angeboten werden, hätte der Betriebsrat die Kosteninteressen der Arbeitgeberin ungeachtet gesonderter Kosten für die Seminarbeigaben gewahrt. Eine Überschreitung seines Beurteilungsspielraums käme allenfalls in Betracht, wenn es im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über die Schulungsteilnahme Anzeichen dafür gegeben hätte, die Seminarbeigaben beeinflussten maßgeblich die Höhe des Seminarpreises und die Wahl gerade dieser Schulung bewirkte hohe Kosten. Das ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LAG jedoch nicht der Fall. Danach konnte die Schulungsveranstaltung nicht unter Verzicht auf die Seminarbeigaben zu einem günstigeren Preis gebucht werden.

Dem Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung der Seminargebühr i.H.v. 700 € zzgl. Mehrwertsteuer steht entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht entgegen, dass diese nicht nach einzelnen Kostenposten aufgeschlüsselt waren. Das LAG hat zutreffend erkannt, dass der Betriebsrat die erstattungsfähige Seminargebühr ausreichend nachgewiesen hat.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin war der Betriebsrat nicht aus koalitionsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Seminargebühr im Hinblick auf die schulungsbedingt entstandenen Selbstkosten des Seminarveranstalters aufzuschlüsseln. Der Schulungsveranstalter durfte die Seminarkosten vielmehr pauschaliert abrechnen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.04.2022 11:30
Quelle: BAG online

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