Otto Schmidt Verlag

LAG Berlin-Brandenburg v. 9.11.2021 - 7 TaBVGa 1213/21

Betriebsratswahl: Einsichtnahme in Wahlunterlagen

Aus der in § 19 Wahlordnung normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten. Aus dem Zweck der Aufbewahrungspflicht ergibt sich ein berechtigtes Interesse derjenigen an der Einsichtnahme in die Wahlakten, für die die Gültigkeit der Betriebsratswahl von Bedeutung ist.

Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vom Betriebsrat Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 17.6.2021, die von der Arbeitgeberin angefochten worden war, begehrt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss die Anträge der Arbeitgeberin auf vollständige Einsicht in die Wahlakten hilfsweise auf vollständige Einsicht in die Briefwahlunterlagen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Arbeitgeberin sei durch die Einsichtnahme am 28.6.2021 erfüllt. Anspruch auf Einsicht in die Briefwahlunterlagen habe die Arbeitgeberin nicht, weil sie ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme in die Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse gezogen werden könnten, wer sich nicht an der Wahl beteiligt habe, nicht dargetan habe.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das LAG den Beschluss abgeändert und dem Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, der Arbeitgeberin vollständige Einsicht in den Wahlakten zur Betriebsratswahl zu gewähren.

Die Gründe:
Die Arbeitgeberin hat einen Anspruch auf Einsichtnahme in die vollständigen Wahlakten, der noch nicht erfüllt wurde.

Aus der in § 19 Wahlordnung normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten. Die Aufbewahrungspflicht gem. § 19 Wahlordnung soll es ermöglichen, auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis zu nehmen, um die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen zu können.

Diese Befugnis steht nicht nur dem Betriebsrat zu, der die Wahlakten aufzubewahren hat und dessen Mitglieder deshalb jederzeit ohne Weiteres die Möglichkeit haben, die Wahlakten einzusehen. Vielmehr ergibt sich aus dem Zweck der Aufbewahrungspflicht ein berechtigtes Interesse derjenigen an der Einsichtnahme in die Wahlakten, für die die Gültigkeit der Betriebsratswahl von Bedeutung ist. Das sind zumindest diejenigen Personen und Stellen, die nach § 19 Abs 2 S 1 BetrVG berechtigt sind, die Betriebsratswahl anzufechten.

Das Recht des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten der Betriebsratswahl gilt im Hinblick auf das nach § 14 Abs 1 BetrVG auch für die Betriebsratswahl gewährleistete Wahlgeheimnis nicht uneingeschränkt für die Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden können. Die Einsichtnahme in diese Unterlagen ist nur zulässig, wenn dies zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, war ein Anspruch der Arbeitgeberin auf Einsicht in die vollständigen Wahlakten zu bejahen. Die Arbeitgeberin hatte dargetan, dass diese Einsichtnahme zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Wahl erforderlich ist. Die Arbeitgeberin hat dargetan, dass sie die Einsichtnahme in diese Unterlagen benötigt, um prüfen zu können, ob es Fehler im Wahlverfahren gegeben hat, die sie noch im Anfechtungsprozess vortragen kann und muss.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.02.2022 16:33
Quelle: Justiz NRW

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