Otto Schmidt Verlag

Aktuell im ArbRB

Qualifizierung und Weiterbildung in der betrieblichen Praxis (Niklas/Köllmann, ArbRB 2022, 18)

Ein wesentlicher Bestandteil des Anfang Dezember 2021 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP abgeschlossenen Koalitionsvertrags bildet die Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten. Was von den insoweit angekündigten Vorhaben letztlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Bereits seit drei Jahren in Kraft, in der Praxis aber nach wie vor eher wenig bekannt, ist demgegenüber das Qualifizierungschancengesetz, dessen Instrumente im Rahmen dieses Beitrags näher beleuchtet werden sollen.


1. Qualifizierung und Weiterbildung als Kriseninstrumente

a) Ausgangslage: Strukturwandel und Betriebsänderung

b) Qualifizierungsmaßnahmen als zulässiger Inhalt von Sozialplänen

c) Typische Regelungsinhalte

2. Förderung der Qualifizierungsmaßnahmen

a) Förderungsvoraussetzungen und Förderungsangebote

b) Konkrete Finanzierung der Qualifizierungsmaßnahme

c) Art und Umfang der Förderung

3. Weiterbildung während der Kurzarbeit

4. Ausblick

5. Fazit


1. Qualifizierung und Weiterbildung als Kriseninstrumente

Als das Qualifizierungschancengesetz am 1.1.2019 in Kraft trat, sollte es die Antwort sein auf einen zunehmenden digitalen und demografischen Strukturwandel im Wirtschaftsleben. Dieser Strukturwandel ist in vielen Branchen durch die Corona-Pandemie noch einmal deutlich beschleunigt worden. Die Qualifizierung und die Weiterbildung von Beschäftigten haben sich insoweit in zunehmendem Maße zu Bausteinen bei der Bewältigung von Krisen entwickelt. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und deshalb bereits mit Wirkung zum 1.10.2020 die bestehenden Förderungsmöglichkeiten nochmals verbessert.

a) Ausgangslage: Strukturwandel und Betriebsänderung

Ein auf dem Strukturwandel beruhender Weiterbildungsbedarf ist regelmäßig nicht (nur) auf einzelne Beschäftigte bezogen, sondern betrifft ganze Branchen. Führt die Veränderung der Arbeitsanforderungen zu einem Abbau von Personal oder werden zumindest neue Betriebsstrukturen oder Fertigungsmethoden eingeführt, liegt eine Betriebsänderung vor (§ 111 Satz 3 Nr. 1, 4, 5 BetrVG).

Konsequenz ist die notwendige Beteiligung des Betriebsrates nach §§ 111 ff. BetrVG und die Verpflichtung, über einen Interessenausgleich zu verhandeln sowie – sofern die Maßnahme mit wirtschaftlichen Nachteilen einhergeht – einen Sozialplan abzuschließen. Während im Interessenausgleich die konkrete Maßnahme, also das Ob, Wann und Wie beschrieben wird, dient der Sozialplan nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile der Beschäftigten, etwa indem Abfindungszahlungen festgelegt werden. Neben dem typischen „Abfindungssozialplan“ liegt es aber nicht selten im Unternehmensinteresse, die Stammbelegschaft ganz oder teilweise zu erhalten und „lediglich“ durch Qualifizierungsmaßnahmen an die neuen digitalisierten Arbeitsprozesse heranzuführen.

Beraterhinweis Wird in einem Sozialplan zumindest auch eine solche Qualifizierung von Beschäftigten vorgesehen, (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.02.2022 10:03
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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