Otto Schmidt Verlag

Aktuell im ArbRB

Die Dienstreise im Individualarbeitsrecht - Grundprobleme und Gestaltungsmöglichkeiten (Lunk, ArbRB 2021, 371)

Auch wenn zweifelhaft ist, ob es künftig annähernd so viele Dienstreisen geben wird wie vor der Pandemie, werden sie unstreitig wieder zum Alltag vieler Beschäftigten gehören. Der Beitrag gibt einen Überblick über die sich aktuell im Zusammenhang mit Dienstreisen stellenden individualarbeitsrechtlichen Probleme.

I. Notwendige Begriffsbestimmungen
1. Die Dienstreise in Abgrenzung zu Fahr- und Wegezeit
2. Die Arbeitszeit im Sinne der Vergütung, des ArbZG und der Mitbestimmung
II. Grundprobleme der Dienstreise
1. Die individualrechtliche Situation
2. Die Vergütung
a) Aufwendungsersatz
b) Die Vergütung für die Reisezeit
aa) Grundsätzliche Vergütungspflicht
bb) Vergütungshöhe
3. Die Arbeitszeit im Sinne des ArbZG
a) Die Rechtsprechung des BAG und die Literatur
b) Die Rechtsprechung des EuGH und des EFTA-Gerichtshofs
c) Bewertung und Regelungsvorschlag


I. Notwendige Begriffsbestimmungen

1. Die Dienstreise in Abgrenzung zu Fahr- und Wegezeit

Eine Legaldefinition der Dienstreise existiert nicht. BAG  und Literatur  verstehen darunter die vom Arbeitnehmer aufgewendete Zeit, um einen Ort außerhalb des eigentlichen Arbeitsortes aufzusuchen, um dort ein Dienstgeschäft zu erledigen.

Teils wird eine weitere Aufteilung vorgenommen zwischen

  • der eigentlichen Hin- und Rückreisezeit,
  • der Ausübung der Tätigkeit vor Ort und
  • der übrigen Aufenthaltszeit am Dienstort.

Diese Differenzierung ergibt Sinn und wird auch hier zugrunde gelegt.

Keine Dienstreise liegt vor, wenn die Ortsveränderung zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit gehört (Fahrer) oder ein längerer Einsatz (Montage) gegeben ist.  Fahrzeit ist die benötigte Zeit, um zwischen verschiedenen Arbeitsorten zu wechseln, insbesondere die Fahrten zwischen verschiedenen Einsatzorten oder Betriebsstätten des Arbeitgebers.  Abzugrenzen ist beides von der Wegezeit. Überwiegend wird hierunter die zwischen Wohn- oder Aufenthaltsort und dem Arbeitsplatz zurückgelegte Zeit verstanden.

2. Die Arbeitszeit im Sinne der Vergütung, des ArbZG und der Mitbestimmung
Neben der Definition der Reise-, Fahr- und Wegezeiten bedarf es einer Spezifikation, ob

  • die Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, die unter den Schutz der Richtlinie 2003/88/EG  und des ArbZG fällt („arbeitszeitrechtliche Arbeitszeit“) gemeint ist,
  • die zu vergütende Zeit („vergütungspflichtige Arbeitszeit“)
  • oder der Zeitraum, der dem Betriebsrat Beteiligungsrechte vermittelt („mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit“).

Das BAG differenziert und behandelt Reisezeiten je nach Regelungskomplex unterschiedlich.  Die Literatur folgt dem.  Jüngst mehrt sich jedoch vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitszeit Kritik an dieser differenzierten Sichtweise.  Danach soll es für alle Formen der Arbeitszeit generell auf die Einschränkungen der privaten Lebensführung ankommen.

II. Grundprobleme der Dienstreise
Ausgehend von den o.g. Vorgaben wird hier differenziert zwischen:

  • den individual- und den kollektivrechtlichen Vorgaben,
  • der arbeitszeitrechtlichen Behandlung, der vergütungsrechtlichen und der Mitbestimmung sowie
  • der Dienstreise, der Fahr- und der Wegezeit.

Vor die Klammer kann zunächst die Wegezeit gezogen werden, denn sie ist weder im arbeitszeit-, noch vergütungs- oder mitbestimmungsrechtlichen Sinne Arbeitszeit.  Als Teil der allgemeinen Lebensführung fällt sie ausschließlich in den privaten Bereich der Beschäftigten.

1. Die individualrechtliche Situation
Auch ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag folgt die Verpflichtung zur Vornahme von Dienstreisen nach zutreffender Ansicht aus dem Direktionsrecht, § 106 GewO, insbesondere wenn das Berufsbild derartiges erwarten lässt.  Ob Auslandsdienstreisen kraft Direktionsrechts angeordnet werden dürfen, hängt davon ab, ob ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.12.2021 16:38
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite