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Aktuell im ArbRB

Kündigung wegen Kirchenaustritts - Rechtsgrundlagen und aktuelle Entscheidungspraxis (von Tiling, ArbRB 2021, 376)

Die vielfach als unzureichend empfundene Aufarbeitung der Missbrauchsskandale innerhalb der katholischen (aber auch evangelischen) Kirche sowie eine generelle Skepsis gegenüber der Institution Kirche führen dazu, dass die Zahl der Kirchenaustritte sich weiterhin auf einem hohen Niveau bewegt. Dies wirft die kündigungsrechtliche Frage auf: Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn der Mitarbeiter den Kirchenaustritt vollzieht?

I. Rechtsgrundlagen im Kirchenrecht
1. Loyalitätsrichtlinie der EKD
2. Grundordnung des katholischen Dienstes
II. Vorgaben aus der Rechtsprechung
1. Vormalige kirchenfreundliche Sichtweise des BAG
2. Der aktuelle Einfluss des EuGH
a) EuGH vom 11.9.2018 („Chefarztkündigung“)
b) BAG vom 20.2.2019 („Chefarztkündigung“)
III. Aktuelle Entscheidungspraxis
1. LAG Baden-Württemberg vom 10.2.2021
2. LAG Hamm vom 24.9.2020
IV. Hinweise für die Praxis
V. Fazit


I. Rechtsgrundlagen im Kirchenrech
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Die beiden großen Kirchen stufen den Kirchenaustritt ungeachtet der zuletzt sehr liberalen Rechtsprechung des EuGH weiterhin als grobe Loyalitätspflichtverletzung ein.

1. Loyalitätsrichtlinie der EKD
Die sog. Loyalitätsrichtlinie der EKD vom 9.12.2016  statuiert für jeden Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst die Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben sowie die Verpflichtung, sich loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten. Für alle Mitarbeiter gilt, dass sie sich innerhalb und außerhalb ihres Dienstes so zu verhalten haben, dass die glaubwürdige Ausübung ihres Dienstes nicht beeinträchtigt wird. Als mögliche Kündigungsgründe werden ausdrücklich der Austritt aus der evangelischen oder einer anderen christlichen Kirche, eine grobe Missachtung der evangelischen Kirche und ihrer Ordnung oder eine sonstige Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes genannt.

2. Grundordnung des katholischen Dienstes
Die am 27.4.2015 beschlossene Grundordnung des katholischen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) sieht eine je nach Funktion und persönlicher Nähe des Arbeitnehmers zur katholischen Kirche abgestufte Loyalitätsbindung vor:

  • Werden ausnahmsweise nicht christliche Mitarbeiter beschäftigt, sind diese verpflichtet, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und mit ihrer persönlichen Lebensführung und ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der konkreten Einrichtung nicht zu gefährden.
  • Von nicht katholischen, aber christlichen Arbeitnehmern wird zudem erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der jeweiligen Einrichtung zur Geltung zu bringen.
  • Katholische Mitarbeiter haben darüber hinaus die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anzuerkennen und zu beachten.

Als kündigungsrelevante Loyalitätsverstöße werden das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche, der Abschluss einer kirchenrechtlich ungültigen Ehe, kirchenfeindliche Handlungen (Gotteslästerung) und der Kirchenaustritt statuiert. In Art. 5 Abs. 3 GrO ist das Erfordernis einer Abwägung der Einzelfallumstände aufgenommen worden. Die diesbezüglichen Formulierungen orientieren sich deutlich an ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.12.2021 16:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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