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Die Auswirkungen von Kurzarbeit "Null" auf den Urlaubsanspruch (Rech, ZFA 2021, 578)

Besprechungsaufsatz zum Urteil des LAG Düsseldorf v. 12.3.2021 - 6 Sa 824/20

I. Einleitung
II. Die Entscheidung des LAG Düsseldorf

1. Sachverhalt
2. Kernaussagen der Entscheidung
III. Einordnung und Stellungnahme
1. Hintergrund: Die Rechtsprechung des EuGH
a) Grundsatz: Verknüpfung von Urlaubsanspruch und tatsächlicher Arbeitsleistung
b) Ausnahmen möglich
c) Kürzung bei Kurzarbeit
2. Die Rezeption durch das LAG Düsseldorf
a) Grundlegend: Arbeitspflicht und Arbeitszeitverteilung
aa) Normative Anknüpfung: Trennung von Grund und Höhe
bb) Unterjährige Arbeitszeitverteilung
b) Die Kurzarbeit im System der Suspendierung der Hauptleistungspflichten
aa) Vergleichbarkeit mit Teilzeitarbeitnehmern
bb) Vergleichbarkeit mit weiteren Konstellationen suspendierter Arbeitspflicht
cc) Konjunkturelle Kurzarbeit und Transferkurzarbeit
IV. Ausblick
V. Fazit



I. Einleitung
Im letzten Jahr ist infolge der Covid-19-Pandemie die Kurzarbeiterquote stark angestiegen. Insbesondere vor dem Hintergrund der seit der Schultz-Hoff-Entscheidung  des EuGH erfolgenden umfangreichen Neujustierung des nationalen Urlaubsrechts verwundert es daher wenig, dass die Problematik des Verhältnisses von Kurzarbeit zum Urlaubsrecht die erstinstanzlichen ArbG  vermehrt beschäftigt. Das BAG hatte bislang (Stand: 17.9.2021) noch keine Gelegenheit, sich zu äußern. Anders nun das LAG Düsseldorf: Dieses hatte in seiner Entscheidung vom 12.3.2021 (6 Sa 824/20) über die Frage zu befinden, wie sich eine individualvertragliche Vereinbarung von konjunktureller Kurzarbeit „Null“ auf den Urlaubsanspruch der Beschäftigten auswirkt.  In seinem Urteil führt es die neuere Rechtsprechung des BAG zu anderen Fallgruppen der Suspendierung der Hauptleistungspflicht unter Berücksichtigung der Dogmatik des EuGH zum Urlaubsrecht konsequent weiter. Zudem fügt es mit seiner Entscheidung der neuen urlaubsrechtlichen Systematik einen weiteren Mosaikstein hinzu, indem es entschieden hat, dass für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit „Null“ keine Arbeitspflicht haben, der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen ist. Zugleich legen die Ausführungen den weiten Auslegungsspielraum der §§ 1, 3 BUrlG  offen und verdeutlichen den Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Ob das BAG die Sichtweise des LAG Düsseldorf teilt, wird sich zeigen – die Revision gegen die Entscheidung ist mittlerweile dort anhängig.

II. Die Entscheidung des LAG Düsseldorf

1. Sachverhalt

Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf ein seit 2011 bestehendes Arbeitsverhältnis. Die klagende Arbeitnehmerin war in Teilzeit für drei Tage pro Woche in einem Betrieb der Systemgastronomie beschäftigt, wobei ihr arbeitsvertraglich pro Jahr umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zustanden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie führte die Arbeitgeberin Kurzarbeit ein. Nachdem der Arbeitnehmerin in den Monaten April und Mai 2020 zunächst bestehender Resturlaub aus den Vorjahren gewährt worden war, befand sie sich anschließend bis zum Ende des Jahres in Kurzarbeit „Null“ – dies durchgehend in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020. Im August und September wurden ihr von der Arbeitgeberin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass ihr für das Jahr 2020 ein ungekürzter Urlaubsanspruch zustehe und machte die Gewährung weiterer 2,5 Urlaubstage geltend.

2. Kernaussagen der Entscheidung
Das LAG Düsseldorf hat die Klage – ebenso wie schon die Vorinstanz des ArbG Essen  – abgewiesen. Dabei geht es davon aus, dass der klagenden Arbeitnehmerin sämtlicher ihr zustehender Urlaub gewährt worden sei, da ihr im Jahr 2020 maximal ein Urlaubsanspruch von 11 Tagen zugestanden habe.  Kalendermonate, in denen konjunkturbedingt Kurzarbeit „Null“ vereinbart worden sei, führten zu einer Verminderung des Urlaubsanspruchs.

Weil weder im Arbeitsvertrag noch in der Kurzarbeitsvereinbarung eine entsprechende Regelung getroffen wurde, ist nach Ansicht des Gerichts insgesamt – d.h. auch für den arbeitsvertraglich vereinbarten Mehrurlaub – § 3 BUrlG einschlägig.  Diesbezüglich führt das LAG Düsseldorf aus, dass § 3 BUrlG im Hinblick auf die Höhe die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht bestimmt.  Dabei sei zwar grundsätzlich auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage abzustellen; wechsele allerdings die Anzahl der Arbeitstage unterjährig, sei der gesetzliche Urlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht umzurechnen.  Das sei auch anzunehmen, wenn für einzelne Zeiträume eine Befreiung von der Arbeitsverpflichtung, also eine Arbeitszeit von „Null“, vereinbart worden sei.

Das LAG Düsseldorf betont zwar, dass das nicht uneingeschränkt gelte. Jedoch führe konjunkturelle Kurzarbeit „Null“ wie andere Teilzeittatbestände zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs.  Zur Begründung beruft sich das Gericht auf weitere Fallgestaltungen, in denen die Rechtsprechung wegen der Suspendierung der Arbeitspflicht eine Verminderung des Urlaubsanspruchs angenommen hat. Explizit führt es unter Bezugnahme auf das BAG die Vereinbarung unbezahlten Sonderurlaubs und die Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell an.  Nach Auffassung des LAG Düsseldorf stehe dieses Ergebnis auch mit dem Unionsrecht im Einklang. Zudem stünden der Kürzung eines Urlaubsanspruchs infolge der Vereinbarung konjunktureller Kurzarbeit weder nationales Recht noch sonstige Gründe entgegen. Insbesondere enthalte weder das BUrlG derartige Sonderregelungen, noch könne aus § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III abgeleitet werden, in welcher Höhe ein Urlaubsanspruch bestehe.

III. Einordnung und Stellungnahme
Die Entscheidung überzeugt. Das LAG Düsseldorf verbindet die in den letzten Jahren aufgebaute Dogmatik des EuGH mit der neueren Rechtsprechung des BAG im Urlaubsrecht. Es folgt zu Recht der bereits in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht zur ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.11.2021 18:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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