Otto Schmidt Verlag

SG Gießen v. 12.7.2021 - S 14 AL 81/21

Arbeitslosengeld I: Eintritt einer Sperrzeit wegen versicherungswidrigen Verhaltens

Versicherungswidriges Verhalten ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitslose bei telefonischer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch darauf hinweist, er wolle sich in drei bis vier Monaten selbständig machen. Ein wichtiger Grund liegt nicht vor, wenn der Arbeitslose keine konkreten Umsetzungsschritte zur Aufnahme der Selbständigkeit in zeitlicher Hinsicht unternommen hat. Der Arbeitslose ist gehalten, sein Verhalten so auszurichten, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zeitnah aufgenommen werden kann.

Der Sachverhalt:
Der 1993 geborene Kläger bezog von der beklagten Bundesagentur für Arbeit seit Januar 2021 Arbeitslosengeld I. Die Beklagte unterbreitete dem Kläger am 28.1.2021 einen Vermittlungsvorschlag als Bauleiter. Der Kläger bewarb sich bei dem potentiellen Arbeitgeber am 10.3.2021. Dieser rief den Kläger an, um ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren. In diesem Telefonat wies der Kläger den potentiellen Arbeitgeber darauf hin, dass er sich selbstständig machen wolle und lediglich eine Beschäftigung von drei bis vier Monaten Zeitdauer suche.

Nachdem der potentielle Arbeitgeber die Bewerbung als „Verhinderungsbewerbung“ bezeichnet hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit, während der Zeit vom 31.3.2021 bis 20.4.2021 sei eine Sperrzeit eingetreten. Das Arbeitsangebot für eine Beschäftigung als Bauleiter habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt.

Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Bei dem Vermittlungsvorschlag hat es sich um ein hinreichend benanntes und zumutbares Beschäftigungsangebot gehandelt. Dieses Beschäftigungsangebot hat der Kläger nicht angenommen. Der Nichtannahme ist gleichzustellen, wenn dem gesamten Verhalten der eindeutige Wille entnommen werden kann, dass der Arbeitslose nicht bereit ist, die ihm angebotene Arbeit anzunehmen oder die Einstellung durch abschreckendes oder besonders provokantes Verhalten ggü. dem Arbeitgeber vorsätzlich verhindert wird.

Hier ist die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch das Verhalten des Klägers verhindert worden (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 3. Variante SGB III). Der Arbeitslose muss sich ggü. dem potentiellen Arbeitgeber so verhalten, wie dies üblicherweise von einem an einer Aufnahme interessierten Arbeitslosen erwartet werden kann. Er hat alle Bestrebungen zu unterlassen, die den Arbeitgeber veranlassen könnten, ihn bereits vor einer persönlichen Vorstellung aus dem Bewerberkreis auszuschließen. Den Arbeitslosen trifft die Obliegenheit, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden und eine ihm angebotene Arbeit zu erhalten.

Dem kann der Kläger nicht mit dem Einwand begegnen, dass er einen potentiellen Arbeitgeber nicht anlügen dürfe. Eine Offenbarungspflicht etwa im Hinblick auf eine Nebentätigkeit hat nicht bestanden. Vielmehr hat der Kläger unmissverständlich erklärt, dem Arbeitsangebot nicht lange nachkommen zu können. Dem Kläger hat für sein Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Denn es fehlt an konkreten Umsetzungsschritten des Klägers hin zur Selbständigkeit - auch in zeitlicher Hinsicht. Eine mögliche Selbständigkeit hat nicht konkret in Aussicht gestanden.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2021 10:32
Quelle: SG Gießen PM vom 24.8.2021

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