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Die Crowdworker-Entscheidung des BAG und ihre Folgen - Statusrechtliche Fragen moderner Arbeitsformen (Reufels/Segler, ArbRB 2021, 244)

Der Beitrag beleuchtet die vom BAG in der Crowdworker-Entscheidung aufgestellten Kriterien für die Einordnung sog. Crowdworker als Arbeitnehmer i.S.v. § 611a BGB und stellt das Urteil in den Kontext zukünftiger Beratungstätigkeit.

I. Crowdworking als neues Phänomen der modernen Arbeitswelt
1. Der zugrunde liegende Sachverhalt

2. Problemstellung
II. Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern
1. Weisungsgebundene, fremdbestimmte Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit
a) Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
b) Faktische Planungssicherheit durch Verstetigung
c) Kein Entscheidungsspielraum hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Auftragserfüllung
d) Anreizfunktion des Bewertungssystems
2. Verklammerung der Einzelaufträge zu einem einheitlichen Arbeitsverhältnis
3. Abgrenzung zur klassischen Heimarbeit
III. Praktische Auswirkungen der Entscheidung
IV. Entwurf einer europäischen Richtlinie zur Plattformökonomie

1. Bestehender Regelungsbedarf infolge rechtlicher und sozialer Unsicherheit
2. Europäische Richtlinie zur Plattformökonomie als Lösung
V. Fazit


I. Crowdworking als neues Phänomen der modernen Arbeitswelt

Beim Crowdworking dienen digitale Plattformen der Vergabe von Aufträgen an sog. Crowdworker. Dies bietet dem Crowdworker die Möglichkeit, zeitlich flexibel Aufträge anzunehmen und zu bearbeiten.

1. Der zugrunde liegende Sachverhalt
In dem Fall, der dem Urteil des BAG zugrunde lag, betrieb die Beklagte eine Internetplattform, über die Aufträge zur Kontrolle von Werbemaßnahmen und Produktpräsentationen im Einzelhandel für Markenhersteller vergeben wurden. Eine Rahmenvereinbarung mit den Crowdworkern berechtigte sie dazu, freigegebene Aufträge über eine App entgegenzunehmen und gegen eine Vergütung innerhalb von zwei Stunden auszuführen. Der Kläger übernahm im Jahre 2017 eine größere Zahl von Aufträgen und erwirtschaftete damit einen Jahresumsatz von ca. 20.000 €. Er wandte sich im Rahmen seiner Klage gegen die Beendigung der Zusammenarbeit durch die beklagte Plattformbetreiberin im April 2018.

2. Problemstellung
Das Urteil wirft die Frage auf, inwieweit Crowdworker als Arbeitnehmer i.S.v. § 611a BGB einzuordnen sind, so dass die Vorschriften über Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Teilweise wird befürchtet, dass Arbeitgeber sog. „Crowdsourcing“ betreiben, um gezielt Arbeitnehmerschutzvorschriften auszuhebeln. Dies verleiht der Frage besondere praktische Relevanz. In anderen Jurisdiktionen (z.B. England) sind ähnliche Urteile ergangen  oder gesetzgeberische Aktivitäten erfolgt .

II. Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern
Zur Beantwortung der Frage, ob das Crowdworking als Arbeitsverhältnis zu klassifizieren ist, nimmt das BAG die im Rahmen von § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB geforderte Gesamtbetrachtung aller Umstände vor. Ein Arbeitsverhältnis sei regelmäßig anzunehmen, wenn

  • der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet sei,
  • die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und die Durchführung inhaltlich vorgegeben sei sowie
  • die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung der Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt werde.

Beraterhinweis
Berater von Plattformunternehmen haben darauf zu achten, dass die App dem Auftragnehmer inhaltlich und zeitlich möglichst große Freiräume zur eigenverantwortlichen Gestaltung einräumt. Die Schlagworte des BAG einer „Lenkung durch Fremdbestimmung“ dienen hier als Leitrichtung für die Gestaltung der Auftragsvergabe auf der Plattform.

1. Weisungsgebundene, fremdbestimmte Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit
Das Merkmal der Weisungsgebundenheit grenzt den Arbeitnehmer vom Selbstständigen ab. Weisungsgebunden ist gem. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB, wer nicht im Wesentlichen ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.08.2021 14:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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