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Bundesregierung beschließt Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft

Trotz des neuen Namens geht es bei dem Gesetz weiterhin um das, was seit Jahren als "Unternehmensstrafrecht", "Unternehmenssanktionen" oder "Verbandssanktionen" diskutiert wird. Bei Verstößen gegen das Gesetz sollen zukünftig nicht nur verantwortliche Manager oder Beschäftigte, sondern auch die Unternehmen selbst zur Verantwortung gezogen werden können. Anders als bisher soll dann das Legalitätsprinzip gelten. Das heißt, die Staatsanwaltschaft muss gegen das Unternehmen ermitteln.

 

I. Verfahren:

16.06.2020 Regierungsentwurf

II. Hintergrund:

Das Vorhaben ist Teil des Koalitionsvertrags und soll nun umgesetzt werden. Es steht allerdings unter heftiger Kritik. Es soll für mehr Gerechtigkeit im Land sorgen. Dabei soll nunmehr die Verantwortung nicht nur auf Einzelne geschoben werden können, sondern das ganze Unternehmen sanktioniert werden. Für Großkonzerne wird es empfindliche, an den Umsatz gekoppelte Sanktionen geben, die wirksam von Straftaten abhalten. Kleinere Unternehmen werden nicht länger dadurch benachteiligt, dass für sie der gleiche Sanktionsrahmen gilt wie für Großunternehmen.

Bei unternehmensinternen Untersuchungen dürfen Beschäftigte nicht in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt werden. Das Gesetz sieht daher vor, dass interne Untersuchungen nur zu einer Sanktionsmilderung führen, wenn Mitarbeiterbefragungen fair und transparent erfolgen. Zugleich bekommen Unternehmen umfassende Verfahrensrechte, die faire Verfahren sichern.

III. Wesentliche Inhalte:

  • Neues Sanktionsrecht: Sanktionen sollen abschrecken. Der Sanktionsrahmen (Ahndungsteil), der bislang maximal 10 Millionen Euro umfasste, soll - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - angehoben werden. Für große Wirtschaftsunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz sollen die Sanktionen wie im Kartellrecht bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen können. Für Unternehmen mit weniger als 100 Millionen Euro Jahresumsatz soll es bei Sanktionen von höchstens zehn Millionen Euro bei vorsätzlichen Straftaten und höchstens fünf Millionen Euro bei fahrlässig begangenen Straftaten bleiben.
  • Entschädigung von Betroffenen: Künftig soll der Staat das strafbar Erlangte einziehen und Betroffene entschädigen können. Das wird insbesondere bei massenhaften Betrugstaten, bei denen einzelne einen relativ geringen Schaden haben, den sie nicht selbst einklagen wollen, eine große Erleichterung für Verbraucherinnen und Verbraucher sein.
  • Neue Verfahrensrechte: Unternehmen sollen künftig Beschuldigtenrechte haben, wie das Recht zu Schweigen für den gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, aber auch die Rechte auf rechtliches Gehör, zur Stellung von Beweisanträgen, zur Benennung von Zeugen und zur Einlegung von Rechtsbehelfen.
  • Klarer Rechtsrahmen für unternehmensinterne Untersuchungen: Unternehmensinterne Untersuchungen sind heute in größeren Unternehmen beim Verdacht auf Straftaten die Regel und auch kleine und mittlere Unternehmen bemühen sich häufig, mit den Staatsanwaltschaften zu kooperieren und zur Aufklärung beizutragen. Mit ihrer Durchführung werden heute oft Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt. Bislang ist nicht geregelt, ob und wie diese Untersuchungen im Strafverfahren gegen das Unternehmen verwendet werden können. Hierfür soll ein klarer Rechtsrahmen geschaffen werden.
  • Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: Nach geltendem Arbeits- und Dienstrecht ist unklar, inwieweit eine Aussageverpflichtung des Arbeitnehmers bei unternehmensinternen Untersuchungen besteht. Der Gesetzentwurf sieht ein Anreizmodell vor: Sanktionsmilderungen sind nur möglich, wenn die Mitarbeiterbefragungen fair und transparent erfolgt sind. Beschäftigte dürfen bei Befragungen nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden. Beschäftigte müssen vor ihrer Aussage darauf hingewiesen werden, dass Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können. Beschäftigten muss das Recht eingeräumt werden, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Ihnen muss das Recht eingeräumt werden, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, die sie der Gefahr aussetzen würden, sich selbst oder einen Angehörigen zu belasten.
  • Rechtssicherheit bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen: Die Neuregelungen sollen Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen, insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Grundsätzlich wird gelten: Unterlagen aus unternehmensinternen Untersuchungen können beschlagnahmt und vor Gericht verwertet werden. Unterlagen aus der Strafverteidigung des Unternehmens dürfen nicht beschlagnahmt werden. Unternehmensinterne Untersuchungen und Strafverteidigung sind zu trennen, wenn die Sanktionsmilderung greifen soll.
  • Umfassende Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden: Der Gesetzentwurf stellt sicher, dass es nicht zu einer Privatisierung der Strafverfolgung kommt. Die Strafverfolgungsbehörden sind und bleiben verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Wenn das Unternehmen durch vollständige und glaubwürdige Informationen zur Aufklärung der Straftat beiträgt und umfassend mit der Staatsanwaltschaft kooperiert, kann es mit einer Sanktionsmilderung rechnen.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.07.2020,
Quelle: David Schneider, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln