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Die Anwaltschaft als datenschutzrechtlich „Verantwortliche Stelle“

avatar  Dr. Nathalie Oberthür

Das VG Wiesbaden (Urteil vom 19.01.2022 – 6 K 361/21.WI) hat für den Umgang mit personenbezogenen Daten im arbeitsgerichtlichen Prozess wesentliche Grundsätze herausgestellt, die für prozessführende Rechtsanwälte von großer Bedeutung sind:

  • Rechtsanwälte sind unabhängige Organe der Rechtspflege, § 1 BRAO, und die berufenen unabhängigen Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 Abs. 1 BRAO. In dieser Eigenschaft verarbeiten sie regelmäßig personenbezogene Daten im Rahmen eines Mandats. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt dabei auf der berufsständisch verankerten unabhängigen Tätigkeit. Rechtsanwälte sind daher datenschutzrechtlich selbst als Verantwortliche Stelle einzuordnen. Rechtsanwälte tragen selbst die Verantwortung für den Inhalt Ihrer Schriftsätze im Hinblick auf Haftung und Gestaltung.
  • Die Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 UA 1 S. 1 f) DSGVO rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der von der Datenverarbeitung betroffenen Person überwiegen. Berechtigtes Interesse der Rechtsanwälte ist es, die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Mandanten zu erfüllen. Dieses rechtfertigt die Prozessführung und den Sachvortrag im Interesse des Mandanten. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte wäre unmöglich, wenn sie nicht grundsätzlich das vortragen dürften, was ihnen der Mandant mitteilt; sie würden sich sogar ihrerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn sie entgegen § 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreiten und den Sachverhalt aus der Perspektive des Mandanten darstellen könnten.
  • Die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 UA 1 S. 1 f) DSGVO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen bzw. des Mandanten an der Verarbeitung und dem Interesse der gegnerischen Prozesspartei an der Vertraulichkeit seiner Daten geht jedenfalls dann zu Gunsten der Rechtsanwälte aus, wenn die verwendeten Daten weder falsch noch durch in rechtswidriger Weise beschafft worden sind.
  • Dies gilt auch für sensible Gesundheitsdaten. Aus Art. 9 Abs. 2 lit. f) DSGVO ergibt sich, dass die Verarbeitung zulässig ist, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.

Das vor dem VG geführte Verfahren bezog sich auf die Verwertung von Informationen aus einem Gespräch des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) durch die prozessführende Rechtsanwältin. Die Rechtsanwältin durfte diese Informationen zur Prozessführung verwenden, da sie sie von ihrer Mandantin erhalten hatte. Die Bewertung gegenüber der Mandantin – der Arbeitgeberin – kann dabei eine andere sein. Die Arbeitgeberin darf die im Rahmen des bEM verarbeiteten Gesundheitsdaten aufgrund der engen Zweckbindung in aller Regel nicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens verwerten (ausführlich dazu vom Stein, NZA 2020, 753).

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