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BAG präzisiert Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Dienst- und Werkvertrag

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Nach dem 1.4.2017 hat die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Dienst- und Werkverträgen noch mehr Bedeutung gewonnen, da die Absicherung eines „fehlgeschlagenen“ Dienst- und Werkvertrages durch eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wegen §§ 1 Abs. 1 Satz 5, 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG unmöglich geworden ist. Das Urteil des BAG vom 27.6.2017 – 9 AZR 133/16 präzisiert die Abgrenzungskriterien.

Die Klägerin war bei der Beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zunächst als Praktikantin, dann als Krankheitsvertreterin tätig gewesen. Die Beklagte entschloss sich einige Jahre später, die Betreuung des Fotoarchivs auf eine Dienstleistungsgesellschaft, deren 100%-ige Gesellschafterin die Beklagte war, zu übertragen. Grundlage war ein Rahmendienstvertrag mit der Dienstleistungsgesellschaft. Als dessen Gegenstand war die Betreuung des Fotoarchivs gemäß näheren Vorgaben und nach Absprache mit der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten sowie die Betreuung und Digitalisierung des Bildarchivs vereinbart. Zur Vertragserfüllung war die Klägerin von der Dienstleistungsgesellschaft beschäftigt worden. Sie nahm regelmäßig an Besprechungen bei der Beklagten sowie an den wöchentlichen Videokonferenzen teil. Zu den Besprechungen wurde sie von der Dienstleistungsgesellschaft eingeladen.

Die Klägerin begehrte Feststellung, dass seit Beginn ihrer Tätigkeit ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestehe, weil sie vollständig in den Betrieb eingegliedert gewesen sei und auch die Arbeitsleistungen in den Räumlichkeiten erbracht habe, sowie Arbeitsaufträge mündlich auf Zuruf eines Mitarbeiters der Beklagten erhalten habe.

Auch wenn das Urteil noch zum AÜG in der bis zum 31.3.2017 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ergangen ist, bietet es wertvolle Weichenstellungen und Hinweise zur Auslegung des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, der eine Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung enthält.

Das BAG bezieht sich in Rz. 26 ff. auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist. Es stellt heraus, dass der Werkbesteller – wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe – dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen könne. Entsprechendes gelte für Dienstverträge. Solche Dienst- und Werkverträge würden vom AÜG nicht erfasst, dazu bezieht sich das BAG auch auf seine Urteile vom 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, Rz. 30 sowie 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, Rz. 27.

Arbeitsrechtliche Weisungen sind also von projektbezogenen werkvertraglichen Weisungen, die sachbezogen und ergebnisorientiert seien, zu unterscheiden. Diese seien gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht sei personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhalte Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin zu der Motivation des eingesetzten Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen (oder dienstvertraglichen) Anweisungsrechts seien.

Ausgangspunkt der Prüfung ist der Vertrag. Widersprächen sich der Vertrag und die praktische Durchführung, ergebe sich der wirkliche Wille, welcher Vertragstyp von den Parteien gewollt sei, aus der praktischen Durchführung, insoweit nichts Neues.

Das BAG hält konkret den Umstand, dass die Tätigkeit der eingesetzten Arbeitnehmerin sehr kleinteilig durch die Dienstleistungsgesellschaft mittels konkreter Arbeitsaufträge gesteuert wurde, für unschädlich. Hier empfehle ich ganz besonders die Lektüre der Rz. 40 ff. Besonders bemerkenswert ist, dass sogar Aufgaben, die nicht vom Leistungsumfang des Rahmendienstleistungsvertrages mit der Dienstleistungsgesellschaft erfasst gewesen waren, kraft Weisung angewiesen werden konnten, jedenfalls so lange, bis nicht hier durch das „Gepräge“ der Tätigkeit verändert worden sei.

Maßgeblich sei, dass konkrete Weisungen zu arbeitsrechtlichen Fragen, wie Lage und Verteilung der Arbeitszeit nicht erfolgt seien. Hier seien die Pflichten bereits durch die Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Dienstleistungsunternehmen definiert gewesen.

Schließlich bestätigt das BAG auch seine – schon recht alte – Rechtsprechung, wonach derjenige, der auf der Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrages tätig ist, eine Struktur, insbesondere einen Einfluss auf die Führung der von ihm eingesetzten Mitarbeiter haben muss, die über die bloße Überlassung von Mitarbeitern hinausgeht. Auch einfache Tätigkeiten können im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages erledigt werden, so lange nur die Personaldisposition klar und eindeutig geregelt ist:

Insgesamt muss das Unternehmen eine Struktur aufweisen, die ihm eine Tätigkeit ermöglicht, die über die bloße Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern hinausgeht und ihn in die Lage versetzt, die für ein Arbeitsverhältnis typischen Feststellungen zu treffen. (… ) Besteht die Leistung als Unternehmers auch in personeller Hinsicht nur darin, dass er einzelne Arbeitnehmer dem Auftraggeber zur Verfügung stellt, ohne dass hierüber im relevanten Umfang Dispositionen oder Planungen erforderlich sind, fehlt es unter Umständen ganz an einer unternehmerischen Dienstleistung. Je weniger auch auf der personellen Seite einer eigene unternehmerische Initiative vorliegt, umso eher ist man eingeschränkter unternehmerischer Verantwortung die Annahme naheliegend, dass es sich bei der vertraglichen Abrede tatsächlich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt.“ (Rz. 45)

Hier hatte das Dienstleistungsunternehmen auch andere Leistungen für die Beklagte erbracht. Schließlich stellt das BAG klar, dass die Unterbringung der Tätigkeit in den Räumlichkeiten und zu den bei der Beklagten üblichen Arbeitszeiten nicht für Leiharbeit spricht. Ferner seien die Arbeitszeiten und die Urlaubsplanung vom Dienstleistungsunternehmen festgelegt worden. Auch die Teilnahme an den Besprechungen sei im Rahmendienstleistungsvertrag vereinbart worden.

Last but not least: ”Ein Unternehmer muss einen Dienst- oder Werkvertrag nicht mit notwendig eigenen technischen Mitteln erfüllen – BAG 18.1.2012 – 7 AZR 723/10 Rz. 35.“, so die Äußerung in Rz. 50 dazu, dass sogar Arbeitsmittel von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden waren.

Selbst wenn es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt haben sollte, gibt das BAG Argumente zur Abgrenzung unrechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung, die den Übergang von Arbeitsverhältnissen auf den Auftraggeber gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Satz 5, § 9 Abs. 1 Nr. 1a, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zur Folge hat, von praxisorientiert gestalteten Dienst- und Werkverträgen an die Hand.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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