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Die IG Metall will die 28-Stunden-Woche – ein Blick auf § 3 Abs. 3 TVG lohnt sich

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Die IG Metall hat Ende Juni 2017 angekündigt, als Tarifforderung bei der aktuellen Tarifrunde das Recht der Arbeitnehmer auf temporäre Verkürzung der Arbeitszeit bis hin zur 28-Stunden-Woche bei zumindest teilweisem Lohnausgleich zu stellen (vgl.  dazu SPIEGEL und Handelsblatt). Das gibt Anlaß, sich mit § 3 Abs. 3 TVG und dem Blitzaustritt aus dem  Arbeitgeberverband (AGV) zu beschäftigen.

Tarifgebunden ist der Arbeitgeber, der bei dem Abschluss eines Tarifvertrages bzw. dessen Inkrafttreten Mitglied des tarifschließenden AGV ist. Tritt bei Arbeitgeber aus dem AGV aus, fehlt es an der Regelungsmacht der Tarifpartner (BAG 6.8.2002 – 1 AZR 247/01; HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 37, 39). Auch eine Rückwirkung ist nicht mehr möglich. Die Tarifgebundenheit endet grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im AGV.

Allerdings ist § 3 Abs. 3 TVG zu beachten: Ist der Arbeitgeber aus den AGV ausgetreten, verlängert sich die Tarifgebundenheit bis zur Beendigung des Tarifvertrages. Sinn der Norm ist es, die „Tarifflucht“ zu verhindern. Der Arbeitgeber bleibt an den einmal während der Zeit seiner Mitgliedschaft abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden; jedenfalls dann, wenn dieser nicht geändert wird (BAG 7.11.2001 – 4 AZR 703/00).

Aber: Die Fortwirkung des § 3 Abs. 3 TVG erstreckt sich (nur) bis zum Ende des Tarifvertrages. Neue Tarifverträge gelten deshalb für bereits ausgetretene Mitglieder nicht mehr (BAG 13.12.1995 – 4 AZR 603/94; HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 44). Wer also vor Abschluss der Tarifverträge über die 28-Stunden-Woche nicht mehr Mitglied im AGV Metall ist, hat nichts zu befürchten.

Wie die Austrittsmöglichkeiten sind, regelt die Satzung des AGV, es gilt Vereinsrecht. § 39 Abs. 2 BGB gibt nur scheinbar den Rahmen einer Höchstfrist von zwei Jahren für die Kündigung vor. Im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG gilt eine (Höchst-)Kündigungsfrist von sechs Monaten (BGH 29.7.2014 – II ZR 243/13, ArbRB 2015, 14 (Grimm); HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 11). Mit Blick auf den möglicherweise bevorstehenden Tarifabschluss sollte man also schnell handeln.

Da ein unliebsamer Tarifabschluss logischerweise keinen Grund für eine außerordentliche Beendigung der Mitgliedschaft geben kann, bleibt als Möglichkeit auch noch entweder der in der Satzung des AGV zugelassene „Blitzaustritt“ aus dem AGV oder der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft (in der Form des „Blitzwechsels„). Solche Gestaltungen sind zulässig (vgl. nur BAG 18.5.2011 – 4 AZR 457/009; HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 11). Beide sind auch wirksam, wenn sie nicht auf einer schon in der Satzung festgelegten Grundlage sondern mittels einer im Einzelfall von der Mitgliederversammlung des AGV erteilten Genehmigung erfolgt sind (HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 11 mwN.).

Das BAG (20.5.2009 – 4 AZR 179/08, kritisch dazu HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 11a) hat eine weitere Hürde aufgebaut: Ein Blitzwechsel oder-austritt während der laufenden Tarifvertragsverhandlungen muss den Gewerkschaften vom AGV so transparent gemacht werden, dass dieser noch in den Tarifvertragsverhandlungen berücksichtigt werden kann. Sonst sei der Blitzwechsel oder -austritt gem. Art. 9 Abs. 3 GG i.Vm. § 134 BGB tarifrechtlich unwirksam. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen eine schriftliche Anzeige (HWK/Henssler, 7. Aufl.  2016, § 3 TVG Rz. 11a).

 

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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