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ArbRB-Blog

Rechtsanwalt, Affektkündigung und Diskriminierung

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Oft sind wir über das Verhalten von Mandanten verwundert, die Kündigung um Kündigung erklären und sich nicht um deren Begründetheit scheren (vgl. BAG v. 26.6.2008, 6 AZN 648/07, NJW 2008, 3235 mit Anm. Grimm zu sog. Trotz- bzw. Wiederholungskündigungen). Auch manche Rechtsanwälte sind nicht besser, wie ein am 8.5.2015 vom Arbeitsgericht Berlin (28 Ca 18485/14) entschiedener Fall verdeutlicht.

Ein Rechtsanwalt hatte einer schwangeren Rechtsanwaltsfachangestellten – nach einer wegen § 134 BGB, § 9 MuSchG gescheiterten Kündigung in der Probezeit – während der Schwangerschaft eine erneute Kündigung erklärt. Dies tat er fünf Tage nach Ablauf eines individuellen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG ohne Konsultation der Mutterschutzbehörde, weil die Klägerin unentschuldigt gefehlt haben sollte. Übersehen (wirklich?) hatte er, dass sich nahtlos das gesetzliche Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 2 MuSchG (sechs Wochen vor der Entbindung) anschloss.

Der Entscheidung des ArbG Berlin ist nicht nur eine emotional geprägte Wortwahl und Uneinsichtigkeit des beklagten Rechtsanwalts zu entnehmen (also wirklich schlechtes Benehmen), sondern auch, dass die Rechtsgespräche der Kammer im Rechtsstreit keinen Erfolg hatten, soweit es die Reflektion der Tragfähigkeit der rechtlichen Argumentation betraf.

Rechtlich ist das Urteil auch interessant, weil das Arbeitsgericht über das Urteil des BAG vom 21.12.2013 – 8 AZR 838/12, Rn. 31 (ArbRB 2014, 163) – hinausgeht. In dem vom BAG entschiedenen Fall war das Verhalten des Arbeitgebers offensichtlich rücksichtslos. Die Klägerin hatte am 14.7.2011 vom Tod ihrer Leibesfrucht erfahren. Am gleichen Tag setzte der Geschäftsführer der Beklagten ein Kündigungsschreiben auf und ließ dies in den Hausbriefkasten der noch im Krankenhaus befindlichen Klägerin einwerfen.

Das Benehmen des Rechtsanwalts hier war zwar weniger unerträglich. Gleichwohl gab es keinen plausiblen Grund, davon ausgehen zu dürfen, die Schwangerschaft der Klägerin sei „anders schon beendet“, zumal ihm aus dem ersten Kündigungsschutzprozess aufgrund der Übergabe des Mutterpasses der voraussichtliche Geburtstermin am 25.1.2015 und damit zugleich auch das gesetzliche Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 2 MuSchG ab dem 14.12.2014 bekannt gewesen war.

Die wiederholte Missachtung der Schutzvorschriften des MuSchG indiziert eine Benachteiligung wegen der Schwangerschaft und damit wegen des Geschlechts (§ 3 Abs.1 Satz 2 AGG iVm. § 1 AGG). Diese indizielle Wirkung (§ 22 AGG) muss der Arbeitgeber ausräumen, was hier nicht geschehen war.

Die Höhe der Geldentschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 1.500,00 € begründet das Arbeitsgericht auch mit folgender Bewertung (II. 2 b der Gründe):

 „Sofern er insofern mit Blick auf andere Beschäftigte seiner Kanzlei noch für sich in Anspruch nimmt, diesen mit Wohlwollen und Empathie zu begegnen, möge er darin aus vollem Herzen bestärkt sein. Das ändert allerdings nichts daran, dass davon im Falle der Klägerin nichts zu spüren ist: Insofern stimmte es, käme es darauf noch an, spätestens nachdenklich, dass er seine hiesige Kündigung noch mit den Worten hat ausklingen lassen: „Für die bevorstehenden Feiertage wünsche ich Ihnen alles Gute“.

 

 

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 10.8.2015 um 09:20 | Permalink

    Der vom Arbeitsgericht Berlin entschiedene Fall ist leider nicht so singulär, wie man hoffen möchte. Auf meinem Richtertisch landen durchaus nicht selten Fälle offensichtlich rechtswidrigen Verhaltens, das von keinerlei Schuldbewusstsein begleitet ist. Dabei stellt sich bisweilen die Frage, ob es ausreicht, die Kündigung für unwirksam zu erklären oder ob nicht, auch aus generalpräventiven Gründen, andere Sanktionen notwendig sind.

    Im hiesigen Fall war ein AGG-Bezug vorhanden, so dass über diese Schiene eine wenigstens geringfügige (lediglich 1.500.- Euro ausmachende) Kompensation des erlittenen Unrechts erreicht werden konnte. In vielen anderen Fällen kommt dies hingegen nicht in Betracht. Hier sollte man stets im Blick haben, dass bei Handlungen des Arbeitgebers, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen, auch ein Ausgleich des immateriellen Schadens in Betracht kommt, also ein Schmerzensgeld.

    Dies betrifft auch und gerade die Fälle, in denen der Arbeitgeber Kündigungssachverhalte erfindet und/oder leichtfertig und unsubstantiiert Kündigungsvorwürfe erhebt, die Straftatbestände erfüllen. Hier kann der Arbeitnehmer in geeigneten Fällen, insbesondere wenn der Arbeitgeber grundlos Strafanzeige erstattet hat, den Spieß durchaus umdrehen und seinerseits Strafanzeige gegen den Arbeitgeber erstatten. In Betracht kommen hier die Tatbestände der üblen Nachrede (§ 186 StGB) und der Beleidigung (§ 185 StGB), der falschen Verdächtigung (§164 StGB, wenn der Arbeitgeber wider besseren Wissens oder öffentlich die Verdächtigung ausspricht), der Vortäuschung einer Straftat (§ 145d StGB, wenn der Arbeitgeber gegenüber den entsprechenden Behörden die Straftat vorgetäuscht hat) und darüber hinaus der Tatbestand des versuchten oder vollendeten Prozessbetruges, wenn der Arbeitgeber bewusst falsche Tatsachenbehauptungen in das arbeitsgerichtliche Verfahren eingeführt hat. Schließlich können dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf der falschen Tatsachenbehauptungen zustehen. Dem steht auch nicht der Rechtsgedanke des § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) entgegen, wenn die Behauptungen vorsätzlich oder leichtfertig falsch sind.

    Der Arbeitnehmer ist also keineswegs auf die bloße Abwehr der bewusst falschen Tatsachenbehauptungen beschränkt. Bei einer solchen wechselseitigen strafrechtlichen Aufrüstung dürfte das Arbeitsverhältnis allerdings unumkehrbar zerrüttet sein, so dass ein Antrag nach § 9 KSchG naheliegt. Hier dürften rechtswidrige Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu einer deutlichen Erhöhung des Abfindungsanspruches führen.

    Die obigen Überlegungen zu diesem Komplex betreffen wohlgemerkt nur die Fälle, in denen der Arbeitgeber vorsätzlich oder leichtfertig rechtswidrig gehandelt hat und nicht die, bei denen man über die Berechtigung der Vorwürfe ernsthaft streiten kann und erst nach einer gerichtlichen Entscheidung klüger ist.

    RiArbG Berlin Michael H. Korinth

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