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Kürzung von Pauschalen für Betriebsräte

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Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt. § 37 Abs. 1 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG statuieren das Verbot ungerechtfertigter Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern. Diese Regeln sind Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB. Vereinbarungen oder einseitige Zusagen, die gegen das Ehrenamtsprinzip bzw. Begünstigungsverbot verstoßen, sind unwirksam, unabhängig davon, ob die Beteiligten vom Gesetzesverstoß wussten oder nicht. Über einen solchen Fall hatte das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil v. 13.12.2012 – Az. 24 Ca 5430/12) zu entscheiden.

Ein Betriebsratsmitglied hatte sich gegen eine Kürzung der an Betriebsratsmitglieder in der Zentrale eines weltweit tätigen Automobilherstellers aus Stuttgart gezahlten Pauschalen gewandt. Er hatte zuletzt wie alle Betriebsräte eine Mehrarbeitspauschale auf Basis von 8 Stunden Mehrarbeit i.H.v. 350,59 € pro Monat erhalten. Allen freigestellten Betriebsratsmitgliedern war darüber hinaus eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 35,79 € pro Monat gewährt worden. Der Automobilhersteller stellte die Zahlung der Aufwandsentschädigung ab dem 1.2.2012 ein und veränderte die Mehrarbeitspauschale auf eine nach dem statistischen Durchschnitt der jeweiligen Beschäftigungsgruppen ermittelte Mehrarbeitspauschale, die zuletzt noch 64,86 € pro Monat betrug.

Aus der Veränderung der Mehrarbeitspauschale wird plastisch deutlich, dass die Betriebsratsmitglieder eine vom tatsächlichen Mehrarbeitsaufwand losgelöste zusätzliche Pauschale erhielten, die sich als nicht hinreichend realitätsgerechte Typisierung eines tatsächlich nicht bestehenden Mehraufwands darstellte. Sie stellte damit eine verdeckte Lohnerhöhung dar und verstieß gegen das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und das Verbot der Begünstigung der Mitglieder des Betriebsrats (§ 78 Satz 2 BetrVG). Das Arbeitsgericht Stuttgart findet in seiner Entscheidung strenge Worte für die Vorgehensweise. Es kann sich dabei am Maßstab der Rechtsprechung (BAG, NZA 1994, 278, Rn. 36) orientieren.

Wendet sich ein Betriebsrat gegen die Streichung oder Kürzung einer lediglich den Betriebsräten gewährten Pauschale, so muss der Betriebsrat nach Auffassung des Arbeitsgerichts Stuttgart die Zulässigkeit der Pauschale nach den Kriterien des § 37 Abs. 1 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG darlegen und beweisen. Dies wird daraus abgeleitet, dass es sich wegen der Bedeutung des Ehrenamtsprinzips immer um einen Ausnahmefall handelt, wenn eine Pauschale geleistet wird. Diese bedarf gesonderter Begründung im Einzelfall. Dabei ist nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur der Ersatz real entstandener Aufwendungen zulässig. Ein pauschaler Aufwendungsersatz müsse an die typischen Umstände tatsächlich zu erwartender Auslagen anknüpfen. Werde eine Pauschale über Jahrzehnte in unveränderter Höhe gewährt, spreche dies gegen die Orientierung an tatsächliche Verhältnisse. Dann ist die Darlegungslast des Betriebsrats entsprechend höher.

Auch spricht eine Generalpauschale in aller Regel gegen deren Zulässigkeit. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Vergütung von Mehrarbeit, die ganz unterschiedlich anfallen könne, sondern auch beim Aufwendungsersatz. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart widerspricht die Annahme, jedes Betriebsratsmitglied habe die gleichen Aufwendungen oder Leistungen unabhängig von Funktion und Stellung innerhalb des Gremiums in gleichem Umfang Mehrarbeit, allen Erfahrungswerten.

Soweit es die Mehrarbeit betreffe, sei auch eine Mehrarbeitspauschale wegen des Vorrangs des Freizeitausgleichs gegenüber der Vergütung von Mehrarbeit gem. § 37 Abs. 3 BetrVG unzulässig. Das gilt aus tatsächlichen Erwägungen auch, weil die Festlegung eines definierten Mehrarbeitsvolumens unabhängig von der betrieblichen Notwendigkeit der Erbringung von Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit und überdies unabhängig von betriebsbedingten bzw. betriebsbedingten Gründen zweifelhaft sei.

Die Entscheidung ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die in vielen Unternehmen bis heute getätigte Praxis, Betriebsräten Pauschalen zu gewähren, nicht haltbar ist und sog. „Generalpauschalen“ (so plastisch Rieble, NZA, 2008, 276, 277) nicht mehr gewährt werden dürfen. Das Unternehmen konnte sich wegen der Gesetzeswidrigkeit, die in dem Verstoß gegen § 37 Abs. 1 BetrVG und § 78 Abs. 2 BetrVG liegt, auf die individualrechtliche Unwirksamkeit der die Pauschalen regelnden Vereinbarungen nach § 134 BGB berufen und die Zahlungen ohne weiteres mit unmittelbarer Wirkung einstellen.

Jetzt stellt sich für mich die Frage, ob Unternehmen diese Zahlungen nicht einstellen müssen (und nicht nur können), wollen die Verantwortlichen (Geschäftsführungen und Personalleiter) sich nicht der Untreue nach § 266 StGB haftbar machen. Was meinen Sie? Sind die Grundsätze der Mannesmann-Entscheidung des BGH übertragbar?

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 11.4.2013 um 10:26 | Permalink

    Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Grimm,

    vielen Dank für den Hinweis auf diese – m.E. im Ergebnis zu begrüßende – Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart. Das BAG hält Pauschalen für Betriebsratsmitglieder trotz der Gefahr einer Begünstigung u.a. mit der Erwägung für möglich, dass das Betriebsratsmitglied ja auch eine Benachteiligung in Kauf nehme. Dieser Standpunkt kann sicherlich hinterfragt werden.

    Auf der strafrechtlichen Ebene (§ 266 StGB) stellt sich die Frage, ob hier tatsächlich eine Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht vorliegt, was der der BGH-Rechtsprechung nicht allein mit dem Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Normen begründet werden kann. Überdies sollte nicht übersehen werden, dass der Vermögensinhaber durch sein Einverständnis der Strafbarkeit die Grundlage entziehen kann. Die Kernfrage lautet m.E. insoweit, ob der Vermögensinhaber überhaupt wirksam sein Einverständnis zu einer unzulässigen Betriebsratsbegünstigung erteilen kann.

    Unternehmen sollten angesichts der durchaus erheblichen Sanktionen etwaige Pauschalzahlung einer kritischen Überprüfung unterziehen.

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