Otto Schmidt Verlag

LG Frankfurt a.M. v. 25.1.2023 - 2-16 O 22/21

Altersgrenze von Schiedsrichtern im Profifußball diskriminierend

Einem Schiedsrichter steht eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu, wenn er aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren nicht mehr in die Schiedsrichterliste des DFB aufgenommen worden ist. Es ist willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. Adäquate und ggf. wiederholte Leistungstests und -nachweise sind gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig.

Der Sachverhalt:
Der beklagte Deutschen Fußballbund (DFB) hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball (sog. "Ein-Platz-Prinzip"). In seinen Regularien ist eine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball nicht vorgesehen. Jedoch scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast vier Jahrzehnten keine Ausnahme gemacht.

Der Kläger war seit vielen Jahren Schiedsrichter im Auftrag des DFB. Seit 2004 leitete er Spiele der ersten Bundesliga. Nachdem der Kläger 47 Jahre alt geworden war, nahm ihn der DFB ab der Saison 2021/2022 nicht mehr in seine Schiedsrichterliste auf. Der Kläger verlangt vom DFB eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und den potentiellen Verdienstausfall für die Saison 2021/2022 sowie die Feststellung, dass der DFB auch künftige Schäden (z.B. Verdienstausfall) zu ersetzen habe.

Das LG gab der Klage teilweise statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum OLG Frankfurt a.M. angefochten werden.

Die Gründe:
Dem Kläger wird eine Entschädigung i.H.v. 48.500 € wegen einer Diskriminierung aufgrund seines Alters nach dem sog. Antidiskriminierungsgesetz zugesprochen. Für diesen Entschädigungsanspruch ist es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten, ist rechtlich nicht maßgeblich.

Wenngleich in den Regelwerken des DFB eine Altersgrenze für Schiedsrichter nicht schriftlich fixiert ist, besteht aber tatsächlich eine praktizierte Altersgrenze von 47 Jahren. Denn die Bewerber werden ab diesem Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB hat die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet.

Im Ergebnis ist es willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. Zwar hat das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steigt. Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, wurde jedoch nicht dargelegt, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könnte. Adäquate und ggf. wiederholte Leistungstests und -nachweise sind gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig.

Für die Höhe der Entschädigung war u.a. maßgeblich, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Die Benachteiligung des Klägers wiegt grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst, und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgte. Ohne Erfolg blieb die Forderung des Klägers auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere auf Zahlung von Verdienstausfall. Der Kläger hat nicht dargetan, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung berücksichtigt worden wäre. Dafür hätte er nicht nur erklären und unter Umständen beweisen müssen, dass er nicht nur für die Stelle geeignet, sondern vielmehr der bestgeeignetste Bewerber war. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.01.2023 09:57
Quelle: LG Frankfurt a.M. PM vom 25.1.2023

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