Otto Schmidt Verlag

Hessisches LSG v. 29.9.2022 - L 8 BA 65/21

Pilot ohne eigenes Flugzeug ist abhängig beschäftigt

Ein Pilot, der nicht über ein eigenes Flugzeug verfügt und dessen Tätigkeit nach Übernahme eines Flugauftrags sich von einem angestellten Flugzeugführer nicht wesentlich unterscheidet, ist abhängig beschäftigt. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann außer durch Einzelanweisungen während des Auftrags auch durch vorab in einem Rahmendienstvertrag getroffene generelle Festlegungen ausgeübt werden.

Der Sachverhalt:
Ein Pilot war für das klagende Unternehmen, das Wurstwaren produziert und neben Kraftfahrzeugen auch über ein Flugzeug verfügt, an sechs bis sieben Tagen monatlich als Flugzeugführer tätig. Er wurde mit Tagespauschalen i.H.v. rd. 120 € vergütet. Im Rahmen eines Verfahrens auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung fest, dass der Pilot bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestand. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Der Pilot sei weder in den Betrieb eingegliedert gewesen noch habe er Weisungen des Unternehmens unterlegen.

Das SG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das LSG die Klage ab. Die Revision zum BSG wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Pilot unterlag der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, denn er war in seiner Tätigkeit als Flugzeugführer bei der Klägerin abhängig beschäftigt.

Der Pilot war in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert. Maßgeblich ist insoweit, dass er mit der Beförderung der Beschäftigten unmittelbar dem Erreichen der Geschäftszwecke des Unternehmens diente. Auf eine Tätigkeit in der eigentlichen Betriebsstätte kommt es hingegen nicht an. Der Pilot war auch verpflichtet, die erteilten Flugaufträge persönlich durchzuführen und unterlag dem Weisungsrecht des Unternehmens. Soweit ein konkreter Flugauftrag erteilt wurde, waren die Pflichten des Piloten weitgehend festgelegt. Ihm oblag neben der Vorbereitung und Durchführung des Fluges auch die Nachbereitung und Dokumentation von Flügen. Dies umfasste u.a. die Überprüfung von Luftdruck, Öl und Treibstoff vor sowie das Reinigen und Betanken nach dem jeweiligen Flug. Zudem war er für ergänzende Dienstleistungen bei der Betreuung der Fluggäste zuständig.

Darüber hinaus ist nicht entscheidend, ob ein Unternehmen sein Direktionsrecht durch Einzelanweisungen während des jeweiligen Auftrags ausübt. Vielmehr genügen vorab getroffene Festlegungen wie vorliegend im abgeschlossenen "Rahmen-Dienstvertrag über freie Mitarbeiter eines Flugzeugführers (Freelance)". Bei hochspezialisierten Dienstleistungen scheiden zudem Weisungen über das Wie der Tätigkeit naturgemäß aus, ohne dass dies für die Statusfeststellung von entscheidender Bedeutung ist.

Der Pilot hat ferner kein unternehmerisches Risiko als typisches Zeichen einer selbstständigen Tätigkeit getragen. Insbesondere hat das Unternehmen das Flugzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Tätigkeit des Piloten ist insoweit nicht anders zu bewerten als die eines Kraftfahrers ohne eigenes Kraftfahrzeug. In beiden Fällen stehen den Beschäftigten keine Betriebsmittel zur Verfügung, um anderweitig am Markt unternehmerisch tätig zu werden.

Aufgrund der Kosten für fliegerärztliche Bescheinigungen und flugrechtliche Erlaubnisse ist auch kein unternehmerisches Risiko anzunehmen. Diese Kosten muss der Pilot in jedem Fall aufwenden, um seinen Beruf ausüben zu können - als Arbeitnehmer aber auch als Selbstständiger.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Das neue sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren
Christian Moderegger, ArbRB 2022, 207

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2022 14:57
Quelle: Hessisches LSG PM vom 3.11.2022

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