Otto Schmidt Verlag

Aktuell im ArbRB

Der elektronische Rechtsverkehr in der Praxis - Ausgewählte aktuelle Rechtsprechung zum Einsatz von beA & Co. (Tiedemann, ArbRB 2022, 253)

Seit dem 1.1.2022 ist der elektronische Rechtsverkehr (ERV) gem. § 46g Sätze 1-2 ArbGG für professionelle Einreicher in sämtlichen arbeitsgerichtlichen Verfahrensarten verpflichtend. Die bisherige Judikatur zum ERV ist vielfältig. Der Autor stellt in seinem Beitrag ausgewählte Entscheidungen zum ERV dar. Aufgrund nahezu identischer Prozessordnungen bzgl. des ERV nimmt er dabei auch Entscheidungen anderer Gerichtszweige in den Blick.


1. beA für alle Berufsträger, die auch Rechtsanwälte sind
2. beA auch in eigenen Angelegenheiten
3. Umlaute im Dateinamen eines elektronischen Dokuments
4. Anforderungen an eine einfache Signatur
5. Fortgeschrittene Signatur ist unzureichend
6. Anwaltliche Pflichten bei der Signierung eines elektronischen Dokuments
7. Anwaltliche Sorgfaltspflichten nach Versand eines elektronischen Dokuments

a) Analogie der Anforderungen zum Telefax beim ERV
b) Ausgangskontrolle anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung
8. Fazit


1. beA für alle Berufsträger, die auch Rechtsanwälte sind
Nach einer Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg ist es für die Pflicht zur Nutzung des ERV nach § 52d Satz 1 FGO (vgl. § 46g Satz 1 ArbGG) ausreichend, dass der entsprechende Prozessbevollmächtigte auch Rechtsanwalt ist. Sollte er z.B. daneben als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer zugelassen sein (sog. Mehrfachzulassungen), für die derzeit noch keine Verpflichtung zur Nutzung des ERV besteht, besteht für ihn dennoch kein Wahlrecht. Es kommt also hinsichtlich der verpflichtenden Nutzung des ERV nicht darauf an, in welcher Funktion der Prozessbevollmächtigte auftritt (Rechtsanwalt oder Steuerberater). Eine Wahlfreiheit widerspricht laut dem FG Berlin-Brandenburg dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht. Diese soll die Digitalisierung der Justiz allgemein fördern. Daher ist es für die aktive Nutzungspflicht ausreichend, wenn der Prozessbevollmächtigte auch Rechtsanwalt ist.

2. beA auch in eigenen Angelegenheiten
Der Regelung in § 46g Satz 1 ArbGG lässt sich nicht entnehmen, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird. Dies betrifft die Frage, ob der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des ERV zu unterliegen, oder ob darüber hinaus zu fordern ist, dass der Rechtsanwalt im konkreten Fall tatsächlich als solcher auftritt. Letzteres Verständnis hätte zur Folge, dass eine Person dann nicht als Rechtsanwalt mit aktiver Nutzungspflicht zu behandeln wäre, wenn sie zwar als solche zugelassen ist, jedoch in einer eigenen Angelegenheit als Privatperson auftritt.

Es kann m.E. dahinstehen, ob eine solche Auslegung im Lichte des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Justizgewährungsanspruchs (Art. 20 Abs. 3 GG) geboten sein könnte. Es ist jedenfalls zweifelhaft, ob es sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, dass an einen Rechtsanwalt wegen der Verletzung beruflicher Pflichten im Zusammenhang mit dem ERV auch in privaten Angelegenheiten höhere Anforderungen als an Naturalparteien gestellt werden.

In arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, sei es als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber, wird ein Rechtsanwalt aber stets in anwaltlicher Funktion auftreten, da er entweder in dieser Funktion angestellt ist oder als Arbeitgeber eine Kanzlei betreibt. Es ist daher – ohne dass es gesondert hervorgehoben werden müsste – davon auszugehen, dass er sich in einem entsprechenden arbeitsgerichtlichen Verfahren als Rechtsanwalt selbst vertritt.

Nach Auffassung des VG Berlin zu § 55d Satz 1 VwGO ist der sich selbst vertretende Rechtsanwalt als Rechtsanwalt im Sinne des ERV zu behandeln. Die Personenverschiedenheit von Anwalt und Mandant ist kein kennzeichnendes Merkmal einer anwaltlichen Tätigkeit.

Beraterhinweis
Rechtsanwälte müssen also auch in eigenen Angelegenheiten den sicheren Übermittlungsweg des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) i.S.v. § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG nutzen. Andernfalls sind eingereichte Schriftsätze bzw. elektronische Dokumente prozessual unbeachtlich, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen von § 46g Sätze 3–4 ArbGG vorliegen.

3. Umlaute im Dateinamen eines elektronischen Dokuments
Nach einer Entscheidung des BGH ist es – mangels entsprechender Verbotsregelungen in der ERVV und der ERVB (= Bekanntmachung zu § 5 ERVV) – zulässig, dass Dateinamen für elektronische Dokumente auch Umlaute (ä, ö, ü und ß) oder Sonderzeichen enthalten, sofern das Betriebssystem...


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2022 15:40
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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