Otto Schmidt Verlag

OVG Lüneburg v. 22.6.2022 - 14 ME 258/22

„Einrichtungsbezogene Impfpflicht“ kann nicht mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden

Die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht über eine Impfung gegen das Corona-Virus kann nicht mittels eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden, da dies einer (mittelbaren) Impfpflicht gleichkäme, für die keine rechtliche Grundlage besteht.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin arbeitet in einem Seniorenhaus. Nachdem der Landkreis von ihrem Arbeitgeber die Mitteilung erhalten hatte, dass sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei, ordnete er ggü. der Antragstellerin unter Hinweis auf § 20a Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an, einen Impfnachweis über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen beim Gesundheitsamt einzureichen; die Frist für die Zweitimpfung beginne ab dem Tag der verabreichten Erstimpfung zu laufen. Er ordnete zudem die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an und drohte der Antragstellerin für den Fall, dass sie der Verfügung nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an.

Auf den hiergegen gerichteten Eilantrag stellte das VG die aufschiebende Wirkung der dort gleichzeitig von der Antragstellerin erhobenen Klage gegen die Anordnung der Vorlage der Impfnachweise wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung an. Zur Begründung führte es u.a. aus, die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung voraussichtlich rechtswidrig und nicht durch § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt.

Diese Entscheidung hat das OVG im Ergebnis bestätigt. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Mit dem angefochtenen Bescheid begehrt der Landkreis der Sache nach nicht nur - wie in § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG vorgesehen - die Vorlage eines Nachweises i.S.d. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG. Die Antragstellerin wird vielmehr (mittelbar) dazu verpflichtet, in der vorgegebenen Frist die Impfungen gegen das Corona-Virus vornehmen zu lassen. Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und (erst recht) für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes bietet § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG aller Voraussicht nach keine Grundlage.

Die verkürzt auch als „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ bezeichnete einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht begründet nämlich gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Faktisch stellt die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen. Dementsprechend eröffnet § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG dem Gesundheitsamt die Möglichkeit, bei Nichtvorlage eines Nachweises ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
Erste Entscheidungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht,
ArbRB 2022, 129

Aufsatz:
Arbeitsrechtliche Aspekte der einrichtungsbezogenen Impfpflicht,
Nathalie Oberthür, ArbRB 2022, 80

Alles nachzulesen auch im Beratermodul Arbeitsrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Arbeitsrecht finden Praktiker im Beratermodul Arbeitsrecht. 4 Wochen gratis nutzen!

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.06.2022 14:38
Quelle: OVG Lüneburg PM vom 22.6.2022

zurück zur vorherigen Seite