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Stolperfalle Kündigungserklärungsfrist - Die Erklärung einer Kündigung ohne tragfähigen Kündigungsgrund als fristwahrendes Mittel (Gaul/Pitzer, ArbRB 2022, 184)

Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erklärt werden. Die Einhaltung dieser Frist bereitet in der Praxis häufig Probleme, insbesondere bei umfangreichen Ermittlungen. Der Beitrag untersucht, ob und inwieweit zur Fristwahrung die Erklärung einer Kündigung ohne tragfähigen Grund ausreichend ist.

1. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB
2. Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach internen Ermittlungen

a) Entlastendes Ermittlungsergebnis
b) Belastendes Ermittlungsergebnis
c) Ergebnislosigkeit der Ermittlungen
3. Beginn der Kündigungserklärungsfrist
a) Kenntnis kündigungsberechtigter Personen
b) Zurechnung der Kenntnis nicht kündigungsberechtigter Personen
4. Die Erklärung einer Blanko-Kündigung als fristwahrendes Mittel
5. Nachschieben von Kündigungsgründen
6. Erneute Kündigung
7. Fazit


1. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB

Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Zweck dieser Kündigungserklärungsfrist ist es, dem Arbeitnehmer zeitnah Klarheit zu verschaffen, ob ein Fehlverhalten, das einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann, den Ausspruch einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung zur Konsequenz hat.
Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Nicht selten scheitert die Wirksamkeit einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung an der Einhaltung dieser Vorgabe. Dies gilt insbesondere bei Compliance-Sachverhalten. Diese geraten in aller Regel aufgrund interner Hinweise in den Fokus, wobei sich viele Meldungen erfahrungsgemäß in ersten Anhaltspunkten erschöpfen. Außerdem sind in komplexen Arbeits- und Ablaufstrukturen häufig mehrere Arbeitnehmer beteiligt, bei denen das Vorliegen einer Pflichtverletzung aufgeklärt werden muss. Aus Sicht des Unternehmens sind daher häufig weitere Ermittlungen erforderlich, um den Sachverhalt abschließend bewerten zu können.

Beraterhinweis
Steht aufgrund der sich an eine solche Meldung anschließenden Nachforschungen tatsächlich eine Pflichtverletzung oder jedenfalls der Verdacht einer solchen im Raum, ist das Unternehmen regelmäßig gezwungen, arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung zu ergreifen. Tut es dies nicht, riskiert es den Vorwurf, die Einhaltung von Rechtsvorschriften nicht ausreichend durchzusetzen, und – in der Folge – hohe Bußgelder.

2. Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach internen Ermittlungen
Decken die Ermittlungen eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung auf oder begründen sie einen dahingehenden Verdacht, kann dies den Ausspruch einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung rechtfertigen. In diesem Fall greift allerdings die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist. Deren Einhaltung bereitet häufig Schwierigkeiten, da viele Arbeitgeber dazu neigen, Sachverhalte vor Ausspruch einer Kündigung auszuermitteln. Hiermit bezwecken Arbeitgeber in der Regel zwei Dinge: Zum einen sollen die umfassenden Ermittlungen diejenigen Beschäftigten vor Kündigungen schützen, bei denen sich der Anfangsverdacht einer Pflichtverletzung im Laufe der Ermittlungen nicht bestätigt. Zum anderen soll der Sachverhalt möglichst so detailliert erfasst werden, dass eine Kündigung oder Schadensersatzansprüche auch prozessual erfolgreich verteidigt bzw. durchgesetzt werden können.
Je nach Ermittlungsergebnis kann sich die in den weiteren Ermittlungen begründete Verzögerung im Hinblick auf die Kündigungserklärungsfrist allerdings als problematisch erweisen.

a) Entlastendes Ermittlungsergebnis
Führen die weiteren Ermittlungen zu einer Entlastung des Arbeitnehmers, ist die Verzögerung unproblematisch, denn in diesem Fall werden keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen ergriffen.

b) Belastendes Ermittlungsergebnis
Ergeben die weiteren Ermittlungen neue, bislang unbekannte Tatsachen, die den Kündigungsgrund stützen, stellen sie in aller Regel ebenfalls kein Problem dar. Vielmehr beginnt die...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2022 18:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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