Otto Schmidt Verlag

BAG v. 19.5.2022 - 2 AZR 467/21

Massenentlassungsanzeige: Fehlen der sog. Soll-Angaben führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen

Das Fehlen der sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG, also Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer, führt für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers ggü. der Agentur für Arbeit.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. In der Zeit vom 18.6. bis zum 18.7.2019 kündigte sie insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse. Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, die ihr am 18.6.2019 zugegangene Kündigung sei nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte - als solches unstreitig - nicht zuvor ggü. der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG, also Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer, gemacht habe.

Die Vorinstanzen haben die Massenentlassungsanzeige der Beklagten für unwirksam gehalten und der Kündigungsschutzklage aus diesem Grund stattgegeben. Die Revision der Beklagten vor dem BAG führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.

Die Gründe:
Aufgrund der bisherigen Feststellungen lässt sich schon nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt wurde. Dazu müsste die Beklagte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen haben. Der Zeitraum vom 18.6. bis einschließlich 18.7.2019 umfasste aber 31 Kalendertage. Zudem ist unklar, wie viele Kündigungen in diesem Zeitraum zugegangen sind.

Dessen ungeachtet ist die streitbefangene Kündigung nicht nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte nicht zuvor ggü. der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht hat. Ein Verstoß gegen letztere Vorschrift führt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Über diese gesetzgeberische Entscheidung dürfen sich die nationalen Gerichte nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung hinwegsetzen. Eine solche ist auch nicht geboten. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG vorgesehenen Angaben nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.2015, in der Anzeige enthalten sein müssen.

+++ Hinweis: +++
Der Senat hat in einem ähnlich gelagerten Fall (Az.: 2 AZR 424/21) das Urteil des Hessischen LAG vom 25.6.2021 (Az.: 14 Sa 1225/20) ebenfalls aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.05.2022 14:23
Quelle: BAG PM Nr. 18 vom 19.5.2022

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