Otto Schmidt Verlag

ArbG Bielefeld v. 24.3.2022 - 1 Ca 2311/21

Kündigung wegen Vorlage von Corona-Testnachweisen aus dem Internet

Wenn man Impfskeptiker ist, muss man dazu und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen und kann sich nicht durch Vorlage eines „Fake“-Attests aus dem Internet Vorteile verschaffen, für die man kein Risiko eingehen möchte. Bei der Vorlage eines Testzertifikats, bei dem ein negatives Testergebnis bescheinigt wird, obwohl der Aussteller des Testergebnisses die Durchführung des Corona-Schnelltests nicht beaufsichtig hat, reicht nach Ansicht der Kammer der Ausspruch einer Abmahnung zur Beseitigung der Störung des Dauerschuldverhältnisses als milderes Mittel aus.

Der Sachverhalt:
Der 29-jährige, verheiratete Kläger und Vater von zwei Kindern ist dem 23.7.2015 unbefristet auf einem städtischen Bauhof beschäftigt. Er hatte zuvor auch schon seine Ausbildung bei der beklagten Stadt absolviert und war danach befristet bei der Beklagten angestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst der Kommunen.

Bei der Beklagten galt ab dem 22.11.2021 gem. § 28 b IFSG die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Danach mussten alle Arbeitgeber durch Nachweiskontrollen die 3G-Regel täglich überwachen und dokumentieren. Die Beklagte bot ihren nicht geimpften Mitarbeitern ab dem 24.11.2021 tägliche Tests unter Aufsicht an. Eine Bescheinigung über den Beschäftigtentest wurde nur auf besonderen Wunsch ausgestellt. Der nicht geimpfte Kläger machte von diesem Angebot ab dem 24.11.2021 täglich Gebrauch und wurde stets negativ getestet.

In den folgenden Tagen kam es schwerpunktmäßig sowohl auf dem Bauhof zu gehäuften Corona-Erkrankungen. Der Kläger hatte in dieser Woche erstmalig auch ein Testzertifikat über die Internetseite Dr. B. bezogen. Das Testzertifikat hatte er beanstandungslos beim Betreten einer Soccerhalle vorgelegt. Das Gesundheitsministerium des Landes NRW warnte allerdings seit dem 28.11.2021 vor diesen „nicht verkehrsfähigen Testnachweisen“. Die Verwendung solcher Tests im Rechtsverkehr stelle eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne.

Am 7.12.2021 fand ein Personalgespräch statt, in dem der Kläger informiert wurde, dass er sich bei der Vorlage des Testnachweises um eine Straftat handeln könnte und außerdem eine fristlose Kündigung beabsichtigt sei. Ab dem 8.12.2021 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte, ohne die Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist und die Zahlung einer angemessenen Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes komme die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages nicht in Betracht. Am 13.12.2021 teilte die Beklagte mit, sie sei bereit, dem Kläger die ordentliche Kündigungsfrist einzuräumen, nicht jedoch eine Abfindung zu zahlen. Am 15.12.2021 erfolgte die außerordentliche, vorsorglich ordentlich Kündigung.

Der Kläger beantragte gerichtlich, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.12.2021 aufgelöst worden ist oder aufgelöst wird. Für den Fall des Obsiegens beantragte er die Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die streitbefangene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.

Ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung kann nicht nur in der erheblichen Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht liegen. Auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Hinsichtlich der Vorlage eines Negativtests aus dem Internet steht das ArbG Hamburg in seiner Entscheidung vom 31.03.2022 – 4 Ca 323/21 auf dem Standpunkt, die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer i.S.d. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, den in § 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG geregelte Nachweispflicht zu umgehen, sei „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei komme es nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Sachverhalts an. Entscheidend sei vielmehr der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch.

Der Auffassung des ArbG Hamburg kann allerdings nicht zugestimmt werden. Erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter liegen nach Ansicht der Kammer erst dann vor, wenn das Testergebnis, das bescheinigt wird, ein unzutreffendes Testergebnis ist. Der Beklagten ist es deshalb nicht gelungen, dem Kläger nachzuweisen, dass er ein gefälschtes Gesundheitszeugnis vorgelegt hatte. Er hatte der Beklagten „lediglich“ ein nicht gültiges Testzertifikat vorgelegt.

Legt der Kläger vor Betreten der Arbeitsstätte dem Arbeitgeber einen aufgrund des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ordnungsgemäßen Testnachweis vor, erfüllt er nach Ansicht der Kammer die nach § 28 b Abs. 3 Satz 2 IfSG obliegende Nachweispflicht. Damit darf der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betreten und verliert den Entgeltanspruch. Er hat dadurch selbst mindestens eine Ordnungswidrigkeit begangen und die Beklagte in Gefahr gebracht, dass sie sich ebenfalls bußgeldpflichtig macht, indem sie Arbeitnehmer beschäftigt, die kein gültiges Negativattest vorgelegt haben.

Der Kammer fehlt jedes Verständnis für die Vorlage eines den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechenden Negativattests, nur um sich der Vorlage eines täglichen Bürgertests zu entziehen. Wenn man Impfskeptiker ist, muss man dazu und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen und kann sich nicht durch Vorlage eines „Fake“-Attests aus dem Internet Vorteile verschaffen, für die man kein Risiko eingehen möchte. Dem Kläger konnte letztlich aber nicht wiederlegt werden, dass er der Richtigkeit der Angaben auf der Internetseite von Dr. B. vertraut hatte. Vor diesem Hintergrund reicht nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall der Ausspruch einer Abmahnung zur Beseitigung der Störung ihres Dauerschuldverhältnisses als milderes Mittel aus.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.05.2022 15:26
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank NRW

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